Bosnien/Lipa: Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert Evakuierung und Aufnahme der Schutzsuchenden sowie ein sofortiges Ende der Push-Backs
Auf Initiative der Balkanbrücke, Seebrücke und PRO ASYL fordert ein Bündnis aus rund 140 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen die sofortige Evakuierung und Aufnahme der Schutzsuchenden in Bosnien-Herzegowina. Die Bundesregierung darf der humanitären Krise vor den Toren der EU nicht länger tatenlos zusehen.
Noch immer harren ca. 3.000 Menschen auf der Flucht ungeschützt vor dem bosnischen Winter ohne winterfeste Unterbringung aus. Ihnen droht der Kältetod. Die EU hat sich bislang mit Geld für die »Hilfe vor Ort« aus der Verantwortung für die Geflüchteten freizukaufen versucht. Aber in Bosnien wird es keine menschenwürdige Lösung für die Schutzsuchenden geben. Es müssen jetzt schnelle und unbürokratische Evakuierungs- und Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Die meisten der in Bosnien-Herzegowina gestrandeten Schutzsuchenden befanden sich bereits in der EU, sie wurden allerdings von kroatischen Grenzpolizist*innen nach Bosnien zurückgeprügelt. Seit Jahren sind an der bosnisch-kroatischen Grenze Push-Backs, die mit äußerster Brutalität durchgeführt werden und gegen internationales und europäisches Recht verstoßen, an der Tagesordnung.
Die Push-Backs geschehen mit Billigung und Unterstützung der EU und der Bundesregierung. Ungeachtet der gut dokumentierten, systematischen Menschenrechtsverletzungen wird Kroatien für den Grenzschutz allein seit Dezember 2018 mit über 18 Mio. Euro von der EU unterstützt. Vom deutschen Bundesinnenministerium erhielt die kroatische Grenzpolizei 2020 zusätzlich Wärmebildkameras und Fahrzeuge.
Statt die Gewalt zu unterstützen muss die Bundesregierung entsprechend der Aufnahmebereitschaft in Deutschland handeln: Über 220 Kommunen und mehrere Bundesländer haben in den vergangenen Monaten die Aufnahme von Schutzsuchenden zugesagt. Auch die Zivilgesellschaft unterstützt diese Bereitschaft – Balkanbrücke und Seebrücke rufen am 30. Januar unter
Das Bündnis fordert:
- Stopp der gewaltsamen illegalen Push-Backs an den europäischen Außengrenzen. Das Recht aller Menschen auf Zugang zu einem fairen Asylverfahren in der EU muss endlich eingehalten werden.
- Stopp der bundesdeutschen Unterstützung für die kroatische Grenzpolizei!
- Die Bundesregierung muss sofort handeln. Die Schutzsuchenden in Bosnien-Herzegowina müssen evakuiert werden. In Deutschland stehen Länder und Kommunen zur Aufnahme bereit.
#WirhabenPlatz
Den nachstehenden Aufruf (hier als PDF mit allen mitzeichnenden Organisationen) haben unter anderem unterzeichnet: ProAsyl, Balkanbrücke, Seebrücke – Schafft Sichere Häfen, die Landesflüchtlingsräte, Paritätischer Gesamtverband, medico international, terre des hommes, pax christi, Border Violence Monitoring Network, No Name Kitchen, Diakonie Hessen, Baden, Rheinland und Diakonische Werke in verschiedenen Bundesländern.
Lipa: grausame Folge der europäischen Abschottungspolitik. Evakuierung und Aufnahme jetzt!
Die Bilder aus Lipa sind erschütternd. Die katastrophale Notlage für die Schutzsuchenden in Bosnien-Herzegowina ist die Folge der europäischen Abschottungspolitik. Deutschland und die EU tragen unmittelbare Verantwortung für die systematische Verletzung der Rechte von Menschen auf der Flucht an den europäischen Außengrenzen. Mit den systematischen Pushbacks aus Kroatien hat die EU die humanitäre Notlage in Bosnien überhaupt erst geschaffen. Die Pushbacks müssen unverzüglich gestoppt werden. Die Bundesregierung muss jetzt handeln: Die Schutzsuchenden in Bosnien-Herzegowina müssen umgehend evakuiert und ihre Einreise in die EU ermöglicht werden. In Deutschland stehen Länder und Kommunen zur Aufnahme bereit.
Am 23.12.2020 brannte das Camp Lipa im Nordwesten Bosnien-Herzegowinas nahe der kroatischen Grenze fast vollständig ab. In dem zu keinem Zeitpunkt winterfesten Camp mussten über 1.000 Menschen leben. Selbst wenn nun Wochen später ein Camp notdürftig wieder aufgebaut wird, stellt das keine Lösung für die Geflüchteten dar. Weiterhin müssen mehrere tausend Schutzsuchende in Bosnien außerhalb von Lagern ausharren. Statt Verantwortung zu übernehmen, verspricht die EU nur weitere finanzielle Unterstützung und schiebt die Verantwortung an die Behörden in Bosnien ab.
Die EU und Deutschland nehmen diese Verhältnisse nicht nur in Kauf, sondern haben sie bewusst herbeigeführt. Schutzsuchenden wird die Ankunft in der EU systematisch verweigert. Anstelle eines Asylverfahrens erwartet die Menschen in Kroatien eine gewalttätige Grenzpolizei, die sie mit brutalen Methoden zurück nach Bosnien-Herzegowina drängt. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorgehen: Erst im Dezember 2020 schenkte das Deutsche Innenministerium der kroatischen Grenzpolizei 20 Fahrzeuge. Diese Finanzierung des Grenzschutzes ist eine Finanzierung der Gewalt, die von Amnesty International als Folter eingestuft wird. Dieser systematische Bruch nationalen, europäischen und internationalen Rechts ist der Grund, weshalb Menschen in Bosnien-Herzegowina festsitzen. Insgesamt sind aufgrund der EU-Abschottungspolitik etwa 10.000 Menschen in Bosnien gestrandet. Sie alle benötigen Schutz und eine Perspektive.
Die humanitäre Notlage im Norden Bosniens kam keineswegs überraschend. Seit der Schließung der sogenannten Balkanroute und dem EU-Türkei-Deal 2016 sind Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen an der Tagesordnung. Im Westbalkan kommt es jeden Winter zu humanitären Notsituationen, so auch im Winter 2019 im Camp Vucjak. Erst Vucjak, dann Lipa – die Namen der Camps wechseln, doch was sie zeigen bleibt gleich: Die EU setzt auf Abschottung um jeden Preis!
Die Lage an den europäischen Außengrenzen ist lebensbedrohlich. Deutschland kann und muss handeln schon allein, um geltendes Recht einzuhalten.
Wir fordern deswegen:
- Stopp der gewaltsamen illegalen Pushbacks an den europäischen Außengrenzen. Das Recht aller Menschen auf Zugang zu einem fairen Asylverfahren in der EU muss endlich eingehalten werden.
- Stopp der bundesdeutschen Unterstützung für die kroatische Grenzpolizei!
- Die Bundesregierung muss sofort handeln. Die Schutzsuchenden in Bosnien-Herzegowina müssen evakuiert werden. In Deutschland stehen Länder und Kommunen zur Aufnahme bereit.
#WirhabenPlatz
Der Aufruf auf Deutsch und Englisch mit allen unterzeichnenden Organisationen als PDF.
Kontakt
Helen Deffner
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt, Fachstelle Flucht & Asyl
Tel: 0345-44502521