Im Rahmen des AMIF-Projektes „Landesinfostelle Flucht und Asyl“ haben wir am 01.10.2018 Gemeinschaftsunterkünfte in Zeitz und Weißenfels besucht und haben dort mit Bewohner*innen, der Heimleitung und sozialen Betreuung gesprochen. Wir konnten außerdem Gespräche mit Herrn Landrat Ulrich, Herrn Postleb (Leiter der Migrationsagentur MIA), Frau Wenzel (Sachgebietsleitung Unterkunft), Frau Limpert und Frau Bulitza (Integrationspädagoginnen) führen. Wir möchten uns für die Unterstützung des Besuches durch die zuständigen Stellen und die konstruktiven Gespräche bedanken und Ihnen im Folgenden unsere Eindrücke zusammenfassend darstellen.
Zeitz
Die Unterkunft liegt in der Zeitzer Stadtmitte, viele Angebote von Unterstützer*innen, insbesondere aber auch ein Klinikum sind fußläufig erreichbar. Die Unterkunft ist um einen gemeinsamen Innenhof herum angelegt. Sie hat eine Kapazität von 78 Plätzen, von denen zum Zeitpunkt unseres Besuchs 51 belegt waren. Die Wohneinheiten sind abschließbare Einzelwohnungen mit Küche, Bad, Schlaf- und Aufenthaltsraum/Wohnzimmer. Größere Familien werden nach Bedarf auf nebeneinander liegende Wohnungen verteilt.
Bewohner*innen haben wir wenige gesprochen, niemand berichtete von Problemen an der Unterkunft selbst. Bewohner*innen können einen Aufenthaltsraum nutzen, der Schlüssel dafür muss bei der Heimleitung abgeholt werden. Der Raum wird u.a. als Gebetsraum und für Deutschunterricht verwendet. Es gibt Fahrradstellplätze und eine Kleiderkammer.
Das Beratungsangebot der Gesonderten Beratung und Betreuung (GBB) ist einmal in der Woche vor Ort. Zusätzlich besucht eine Integrationspädagogin des Landkreises wöchentlich die Einrichtung und steht für Fragen zur Verfügung.
Die Sozialbetreuung wirkt sehr engagiert und zeigt viel Einsatz für die Belange der Bewohner*innen. Sie geben beispielsweise Unterstützung bei wichtigen Briefen, bieten Verweisberatung an Ämter, geben Erläuterungen zu Entscheidungen der Ämter, Schuldnerfragen usw. Ebenfalls können Bewohner*innen, denen ein Umzug ermöglicht wird, Unterstützung bei der Wohnungssuche bekommen.
In diesem Zusammenhang wurden wir auf wiederholt auftretende Probleme auf dem Wohnungsmarkt aufmerksam gemacht. Zum Einen ist das Wohnraumangebot sowohl in Weißenfels wie auch in Naumburg sehr eingeschränkt; in Zeitz ist es besser, aber auch hier ist nicht immer ausreichend großer Wohnraum für Familien vorhanden. Zudem gibt es vereinzelt Probleme mit privaten Vermieter*innen, die aus augenscheinlich rassistischen Motiven heraus nicht an Geflüchtete bzw. vermeintliche »Ausländer*innen« vermieten wollen. Vor diesem Hintergrund scheinen einzelne Vermieter*innen auch die Mietsätze entsprechend oberhalb der zulässigen Jobcenterübernahmegrenze anzusetzen. Als einen Lösungsansatz sehen wir das Beratungangebot »Entknoten« der LAMSA, welches sich mit Diskriminierung und Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz befasst und Betroffenen Unterstützung anbietet. Darüber kann auch die Dokumentation von Fällen als Grundlage für Änderungsansätze dienen. Ergänzend sind die bestehenden Netzwerke in Zeitz, z.B. gute Kontakte zu Wohnungsbaugesellschaften vor Ort sinnvoll.
Wachschutz ist täglich vom Nachmittag bis zum Morgen vor Ort, am Wochenende rund um die Uhr.
Post für Bewohner*innen wird zentral entgegen genommen, die Heimleitung führt zu diesem Zweck ein Postbuch. Bewohner*innen werden sodann informiert. Sollten diese nicht zu Hause sein, wird ihnen eine Notiz im Wohnraum hinterlassen. Problematisch an dieser Lösung sehen wir allerdings, dass das ungefragte Betreten des Wohnraums (auch in einer Gemeinschaftsunterkunft) nicht ohne Weiteres zulässig ist.
Nicht nur im engeren Kontext der Unterbringung können Probleme auftreten. Mit der Betreuung in der Einrichtung sprachen wir beispielsweise über folgende Problemlage:
In einigen Konstellationen mit sich in Beschäftigung befindenden Geflüchteten kam es zu einer Weiterzahlung von AsylbLG-Leistungen parallel zur Lohnzahlung. Die Betroffenen waren jedoch nicht über die Parallelleistungszahlung und daraus bevorstehenden Rückzahlungsforderungen informiert und konnten sich nicht darauf vorbereiten. Die Rückforderungen erfolgten teilweise erst nach drei Monaten, was zu Unverständnis führte. Abhilfe könnte hier eine entsprechende Information durch die Ausländerbehörde zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme oder bei der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis schaffen.
Uns wurde erörtert, dass eine Kontoeröffnung nur mit Aufenthaltstitel unkompliziert ist; für Gestattete oder Geduldete treten immer wieder Hürden auf. Im Gespräch mit dem Landrat Ulrich wurde uns gesagt, dass es Gespräche mit der Kreissparkasse geben solle, um diese Zugänge zu vereinfachen.
Wir haben besprochen, dass Duldungen selten einen Zeitraum von vier Wochen übersteigen, was für viele Geduldete ein Problem darstellt. Durch einen Zustand der permanenten Unsicherheit entstehen und manifestieren sich erhebliche Ängste, die z.T. auch zu Blockaden führen können. Sollten Duldungsgründe absehbar nicht entfallen, plädieren wir dafür, Duldungen auch länger auszustellen, insbesondere wenn damit eine Beschäftigungserlaubnis verbunden ist. Auf diese Weise ist allen Beteiligten etwas mehr Sicherheit gegeben. Zudem kann von § 25 Abs. 5 AufenthG Gebrauch gemacht werden, um bei lang anhaltenden Duldungsgründen einen vorübergehenden Aufenthaltstitel und damit eine rechtliche Besserstellung zu gewähren.
Die Situation für Familien mit Kindern in Zeitz wird als entspannt eingeschätzt. So seien z.B. Kita-Plätze ausreichend vorhanden, auch der Zugang zu Schule funktioniert und die Zusammenarbeit mit Integrationsbeauftragten der Stadt Zeitz wird von Sozialarbeiter*innen positiv bewertet.
Vor allem für junge Erwachsene ist der Bildungsweg allerdings schwer. Im berufsvorbereitenden Jahr treten Probleme wegen fehlender Sprachkenntnisse und teilweise fehlendem „Allgemeinwissen“. Die Unterstützungsbedarfe vor allem für neue und zukünftige Auszubildende sind entsprechend hoch. Auf Seiten des Landkreises werden diese Bedarfe gesehen und entsprechende Angebote waren zum Zeitpunkt unseres Gesprächs in Planung.
Im Anschluss konnten wir ein Gespräch mit einer Familie vor Ort führen. Sie beschäftigten vor allem aufenthaltsrechtliche Fragen und ihre Perspektive in Deutschland und weiterhin in Zeitz leben zu können. Sie wollen arbeiten und würden sehr gerne eine Ausbildung machen, die Kinder sind in Schule, haben dort Freund*innen und sie alle wollen sich vor Ort eine Perspektive aufbauen. Ihre aufenthaltsrechtliche Ungewissheit hemmt jedoch viele Bemühungen und bereitet ihnen schlaflose Nächte und Angst – all das hat zudem negative Effekte auf ihre Gesundheit.
Weißenfels
Die Wohneinheiten in Weißenfels sind ebenfalls Einzelwohnungen mit Bad und Küche, liegen jedoch nicht in einem gesonderten Gebäudeareal wie in Zeitz, sondern in einem Plattenbaublock zusammen mit Wohnungen von Menschen, die schon immer bzw. lange dort leben. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs waren ca. 65 Personen dort untergebracht, teilweise auch Familien sowie alleinreisende Frauen bzw. alleinerziehende Mütter.
Trotz der „gemischten“ Unterbringung im Block ist die Unterkunft als Gemeinschaftsunterkunft deklariert. Entsprechend gibt es beispielsweise eine zentrale Poststelle, einen Sicherheitsdienst sowie Sozialarbeiter*innen und Integrationspädagog*innen, die regelmäßig vor Ort sind.
Eckartsberga
Im November 2018 führten wir ein zusätzliches Gespräch mit einer allein reisenden Frau, die zu diesem Zeitpunkt in einer Gemeinschaftsunterkunft in Eckartsberga untergebracht war. Für sie spielten besonders die Umstände der Unterbringung sowie der Umzug nach Naumburg eine Rolle. Sie besaß seit Januar 2018 eine Aufenthaltserlaubnis und lebte weiterhin in der GU.
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs hatte sie sich schon seit längerem um einen Umzug nach Naumburg bemüht, da sie dort sowohl Deutschkurse besuchte als auch eine Arbeit aufnehmen wollte. Da im Landkreis die Wohnsitzauflage gemeindescharf umgesetzt wird, bedurfte es eines begründeten Umverteilungsantrags, der für sie eine große Hürde darstellte. Darüber hinaus hatte sie zu am Anfang des Prozesses der Umverteilungsantragstellung nicht den Eindruck, viel Unterstützung durch die Landkreisverwaltung zu erfahren.
Die Busanbindung nach Naumburg empfand sie als schlecht, da sie nur sehr früh losfahren und bereits am frühen Nachmittag zurückfahren musst.
Auch die Unterbringung selbst belastete sie. Unter den ca. 70 Personen in der GU waren nur 2 Frauen und einige wenige Familien. Supermärkte waren weit entfernt und Bäder, Duschen und Toiletten waren zeitweilig wegen beschädigter Schlösser nicht abschließbar. Die Situation der Sanitäranlagen hat sie nicht als reinlich erlebt. Die allgemeine Atmosphäre hat sie als zu laut, sehr von Alkoholkonsum geprägt und auch hier als wenig sicher, z.T. als ungeschützten sowie bedrohlichen Raum wahrgenommen.