Presseerklärung, 20. Juni 2018
Am 22.06.2018 ruft die Jugendaktion Bildung statt Abschiebungen zu einem bundesweiten Bildungsstreik auf. In Magdeburg veranstalten afghanische Frauen aus Sachsen-Anhalt eine Kundgebung mit Kunstaktionen zur aktuellen Situation in Afghanistan und mit der Forderung eines sofortigen Abschiebestopps.
Abschiebungen nach Afghanistan stoppen
»Wir unterstützen diese Forderung und widersprechen entschieden der öffentlichen Behauptung von Angela Merkel vom 6. Juni, man könne aufgrund des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom Mai 2018 verstärkt nach Afghanistan abschieben«, so Stefanie Mürbe, Sprecherin des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt.
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Mit der vorgenommenen Neubewertung des sogenannten »internen Schutzes« kann die Behauptung inländischer Schutzalternativen in Afghanistan nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Ablehnungen zahlreicher Asylanträge durch des BAMF unter Verweis auf die Unterstellung von inländischen Schutzmöglichkeiten innerhalb Afghanistans müssen enden.
»Wir fordern die Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt erneut auf, einen sofortigen Abschiebestopp zu erlassen. Eine Neubewertung aller in den letzten beiden Jahren abgelehnten Asylanträge ist vom BAMF umgehend zu veranlassen. Die für den 3. Juli geplante Sammelabschiebung muss sofort gestrichen werden. Einen anderen Schluss lässt der Sicherheitsbericht nicht zu.« so Mürbe.
Asyl- und Menschenrechte verteidigen
Trotz rückläufiger Asylzahlen vergeht kaum ein Tag an dem nicht weitere Verschärfungen und mehr Härte in der Flüchtlingspolitik gefordert oder beschlossen werden. Seien es die Pläne zur Zurückweisung Schutzsuchender an den deutschen Außengrenzen, der Ausbau der europäischen Grenzabschottung, die Verhinderung des Rechts auf Familiennachzug, die Dauerisolierung in Massenunterkünften – all diese Vorhaben stellen den europäischen Flüchtlingsschutz grundlegend zur Disposition.
»Auf Kosten von Menschenleben und elementaren Grundrechten wird ein skrupelloser Macht- und Wahlkampf betrieben. Dabei scheint jedes Mittel recht, auch die rücksichtslose Abschiebung in Kriegs- und Krisengebiete.« resümiert Mürbe.
Pressekontakt: Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt | Stefanie Mürbe | Tel. 0391 5054913
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Hintergrund zum Lagebericht:
In den letzten beiden Jahren ist die Ablehnung afghanischer Asylsuchender rapide gestiegen – in der Regel begründet mit dem Hinweis, Verfolgte hätten an einem anderen Ort in Afghanistan Schutz finden können (Ausweichmöglichkeit). Im Jahr 2017 wurden die Anträge von 56.316 Afghaninnen und Afghanen abgelehnt. Vom 01.01. bis 30.04.2018 waren es 3768. Die Ablehnungsquote stieg von 22,3 Prozent im Jahre 2015 auf 39,4 Prozent im Jahre 2016 und auf 52,6 Prozent im Jahre 2017. Aus 2017 sind noch 71.342 Gerichtsverfahren zu Afghanistan anhängig (Bundestagdrucksache 19 /1371).
Bislang wurde pauschal behauptet, junge afghanische Männer könnten zurückkehren und in Großstädten am Rande des Existenzminimums leben. Obwohl verfolgt, wurden sie im Asylverfahren abgelehnt, die Abschiebung angedroht. Das AA spricht nun davon, dass die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte, durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen sei. Ausweichmöglichkeiten hingen vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage ab. Für eine Vielzahl der nach Deutschland geflohenen Afghan*innen gibt es deshalb nun auch regierungsamtlich festgestellt keine Ausweichmöglichkeit – weder in Kabul, dem Zielort der Abschiebungen, noch mangels sicherer Reisewege in der Herkunftsregion oder anderswo in Afghanistan. Die sogenannten inländischen Ausweichmöglichkeiten gibt es für die Betroffenen in der Realität schlichtweg nicht und sie wären auch nicht erreichbar.
Zur ausführlichen Auseinandersetzung von PRO ASYL mit dem Afghanistan-Lagebericht des Auswärtigen Amtes