Presseerklärung, 25.06.2018
Neue Regelungen zur Erstaufnahme in Sachsen-Anhalt
STELLUNGNAHME zur Einigung der Regierungskoalition
Nach dem Innenminister Holger Stahlknecht in der Diskussion um die AnKER-Zentren darauf drängte, die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf 24 Monate zu erhöhen, gibt es nun eine Einigung der Regierungskoalition. Die Wohnverpflichtung für »ausreispflichtige Ausländer« soll durch eine Änderung des Aufnahmegesetzes von sechs auf 18 Monate erhöht werden.
»Auch wenn mit der Einigung der Regierungskoalition wichtige Aspekte Berücksichtigung finden, lehnen wir die Verlängerung der Wohnverpflichtung als Eingriff in die Grund- und Menschenrechte ab, mit dem das Land seiner gesellschaftlichen Verantwortung für alle hier lebenden Menschen nicht gerecht wird. Isolation und Desintegration sind keine Lösung, sondern Teil des Problems.«, kommentiert Stefanie Mürbe, Sprecherin des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt.
Unklar ist, ab wann eine Person als »ausreisepflichtig« zählt und wie die Präsenz des Verwaltgungsgerichtes am Standort der Erstaufnahme aussehen soll. Sobald eine Person gegen den negativen Asylbescheid Klage einlegt, ist das Verfahren offen und die Person kann bis zur Gerichtsentscheidung nicht als ausreisepflichtig gelten. Schutzsuchende im Klageverfahren sind daher umgehend in die Kommunen zu verteilen. Fast die Hälfte der überprüften Asylbescheide wurde 2017 durch die Verwaltungsgerichte korrigiert – bei syrischen und afghanischen Asylsuchenden waren es sogar über 60 Prozent.
Problematisch ist die Verlagerung des Rechtsweg auf das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung. Die Schaffung von eigens eingerichteten Außenstellen von Verwaltungsgerichten erweckt den Eindruck eines eigenen Gerichtswesens Asyl. Die physische Trennung ist ein wichtiger Bestandteil der Gewaltenteilung. Asylrecht ist ein Teil des Verwaltungsrechts und daher bei den regulären Verwaltungsgerichten bereits abgedeckt. Notwendiger wäre eine bessere personelle Ausstattung der Verwaltungsgerichte, um die Verfahren zu beschleunigen.
Wenn mit der vor-Ort-Präsenz des Jugendamtes gemeint sein sollte, dass die Betroffenen während des Verfahrens zur Alterseinschätzung zunächst in den Erstaufnahmeeinrichtungen leben müssen, widerspricht dieses Vorhaben dem Minderjährigenschutz sowie dem Primat der Kinder- und Jugendhilfe und ist mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren.
Wir begrüßen, dass zumindest für vulnerable Personengruppen die Einsicht geteilt wird, dass isolierte Massenunterkünfte große Probleme bürgen. Die notwendige Konsequenz besteht darin, die maximale Verweildauer auf vier Wochen – keinesfalls höher als drei Monate – zu begrenzen. Großlager sind keine kindgerechten Lebensorte und die bestehende Lernwerkstatt kein adäquater Schulersatz. Das Recht auf Schule gilt für alle Kinder und das Land Sachsen-Anhalt darf hier keine Ausnahmen per Gesetz festschreiben. Mit diesem Gesetz verstößt das Land gegen die UN-Kinderrechtskonvention und die Menschenrechte.
»Wir fordern das Innenministerium auf, sich umgehend dafür einzusetzen, dass entsprechend der Einigung die Termine zur Asylanhörung frühestens zehn Arbeitstage nach Registrierung stattfinden, um vor dem ersten Interviewtermin die tatsächliche Möglichkeit zur Asylverfahrensberatung zu gewährleisten. Darüber hinaus fordern wir die Landtagsabgeordneten auf, den Druck auf die Landesregierung zu erhöhen, entsprechende Änderungen bei der Einigung vorzunehmen.«, so Mürbe
Pressekontakt: Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt | Stefanie Mürbe | Tel. 0391 50549613