30.01.2018, Schönebeck [Dokumentation Unterbringung]

Im Rahmen des AMIF-Projektes „Landesinfostelle Flucht und Asyl“ haben wir am 30.01.2018 das sogenannte Übergangswohnheim (ÜWH) in Schönebeck besucht und Gespräche mit dem Stabstellenleiter Koordinierungsstelle für Migration und Bildung Herrn Schmoldt, der Fachdienstleiterin für Ausländer- und Asylrecht Frau Golenia, dem Sachgebietsleiter für Unterbringung Asyl Herrn Roschkowski sowie einer Mitarbeiterin für die soziale Betreuung geführt. Wir möchten uns für die Unterstützung des Besuches durch die zuständigen Stellen und die konstruktiven Gespräche bedanken und Ihnen im Folgenden unsere Eindrücke zusammenfassend darstellen.

Bei der Unterkunft in Schönebeck handelt es sich um eines der ersten sogenannten Übergangswohnheime (ÜWH) in Sachsen-Anhalt, die bereits in Anlehnung an den bisher als Entwurf vorliegenden „Leitfaden für Aufnahmekommunen zur Unterbringung, Leistungsgewährung sowie Beratung und Betreuung von anerkannten Schutzsuchenden“ des Ministeriums für Inneres und Sport in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit1 in einigen Landkreisen entstehen.

Das Übergangswohnheim, das vor der Renovierung als Gemeinschaftsunterkunft (GU) genutzt wurde, hat eine Kapazität von 79 Einzelzimmern. Aktuell leben dort 27 Personen mit einer Aufenthaltsgenehmigung, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Die Zimmer sind jeweils abschließbar, Sanitäranlagen und Küche werden von mehreren Bewohner*innen gemeinsam genutzt.

Für jedes Zimmer wird zwischen der*m Bewohner*in und dem Salzlandkreis ein Mietvertrag unterzeichnet, der zeitlich nicht befristet ist. Nach Vorstellung des Landkreises (LK) soll jedoch eine Mietdauer von mehr als sechs Monaten möglichst nicht überschritten werden. Die Übernahme der Kosten für die Unterbringung erfolgt über das Jobcenter.

Positiv zu bewerten ist, dass die Leiterin der Einrichtung vor Ort während der Sprechzeiten sowie ein Wachdienst 24 h ansprechbar sind. Darüber hinaus besteht über die personalisierte Briefkastenanlage ein direkter Zugriff der Bewohner*innen auf ihre Post.

Derzeit wohnen 24 alleinreisende männliche, und drei alleinreisende weibliche Personen im ÜWH in Schönebeck. Die Einrichtung ist nicht für Alleinerziehende mit Kindern ausgelegt, ebenso wenig für Familien. Diese beziehen direkt Wohnungen oder leben in Wohngemeinschaften im Landkreis.

Die Zimmer, unterschiedlicher Größe, sind auf drei Etagen aufgeteilt. Die männlichen Bewohner werden entsprechend ihres Herkunftslandes einer Etage zugewiesen. Die Frauen sind separat auf einer Etage untergebracht. Auf jeder Etage gibt es eine gemeinschaftlich genutzte Küche mit vier Herden und abschließbaren Sanitärräumen. Ein Wäscheraum mit frei zugänglichen Waschmaschinen und Wäscheständern steht allen Bewohner*innen zur Verfügung. Die Reinigung der Sanitärräume findet täglich statt, die Flure werden in einem wöchentlichen Rhythmus gereinigt.

In dem ÜWH besteht kein kostenfreier W-Lan-Zugang. Seitens des Landkreises wird dafür kein Bedarf gesehen. Das Haus ist an das Internet angeschlossen, so dass die Möglichkeit eines privaten Anschlusses besteht.

Einen Gemeinschaftsraum, der von den Bewohner*innen genutzt werden könnte, gibt es in der Unterkunft nicht. Unter der Woche befinden sich nicht viele der Bewohner*innen im Haus, da die meisten einen Integrations- oder Sprachkurs besuchen.

Die Verantwortlichen des Landkreises zeigen großes Engagement und Interesse an der Situation der Bewohner*innen und scheinen an einer gelingenden Integration der Menschen vor Ort nachhaltig interessiert. Wie uns berichtet wurde, findet im Landkreis eine gute Betreuung durch Soziallots*innen und Integrationscoaches statt, die die Menschen bei ihren Alltagsanliegen unterstützen. Der Einsatz soll an dieser Stelle positiv hervorgehoben werden.

Die Gesonderte Beratung und Betreuung nach dem Landesaufnahmegesetz erfolgt in Schönebeck, nicht weit von der Unterkunft entfernt, durch die St. Johannis GmbH. Aus Gesprächen mit Bewohner*innen wurde jedoch deutlich, dass vielen diese Beratungsstelle nicht bekannt war. Die Informationen hingen vor Ort im Eingangsbereich in einem Schaukasten auf den Sprachen Deutsch und Englisch aus, waren dennoch für die Bewohner*innen als Anlaufstelle nicht eindeutig erkennbar. Zudem ist die Adresse auf dem Aushang nur schwer lesbar und schwer zu finden gewesen.

Durch bessere Lesbarkeit, einen größeren Aushang in verschiedenen Sprachen, Auslage von Flyern der Beratungsstelle und durch direkte Hinweise in persönlichen Gesprächen der zuständigen Betreuer*in mit den Bewohner*innen vor Ort, lässt sich diese Barriere des Zugangs zu der grundlegend notwendigen Information einfach beheben. Unsere Vorschläge an die Verantwortlichen des Landkreises wurden wohlwollend und dankend entgegengenommen mit der Zusicherung, dass diese Informationslücke geschlossen wird.

Aus den Gesprächen mit einigen Bewohner*innen und den Verantwortlichen des Landkreises ist deutlich geworden, dass die Informationsweitergabe durch die Betreuer*innen noch sicher gestellt werden muss, so dass allen Bewohner*innen die für sie relevanten Anlaufstellen, wie die Beratungsstellen, bekannt sind.

Nach Aussage von Bewohner*innen erweist sich die Entfernung zu den umliegenden Supermärkten als schwierig. Die nächste Einkaufsmöglichkeit befindet sich auf dem Fußweg circa 30 Minuten entfernt. Weitere Supermärkte sind in 45-60 Minuten fußläufig zu erreichen. Die Nutzung des Busses ins Stadtzentrum ist dann jedoch wieder mit Fahrtkosten verbunden.

Mit dem öffentlichen Personen-, Nahverkehr (ÖPNV) sind das Stadtzentrum Schönebeck als auch Magdeburg gut zu erreichen, die nächste Station befindet sich ca. 10 Minuten Fußweg entfernt.

Der Landkreis ist momentan in einem Besitz von 312 Wohnungen, viele davon frei. Da die Bewohner*innen des ÜWHs alle noch auf Wohnungssuche sind, ist es wünschenswert den vorhandenen Wohnraum zu nutzen und die Menschen schneller dezentral in Wohnungen unterzubringen. Als besondere Schwierigkeit stellt sich heraus, dass für die Unterstützung der Wohnungssuche keine explizit zuständige Anlaufstelle vor Ort vorhanden ist. Es fehlt hier an einer strukturellen Finanzierung, um diesen Bedarf zu decken und somit das Ankommen in einem selbstbestimmten Leben schnellstmöglich zu realisieren.

Mit dem sogenannten Übergangswohnheim setzt der Landkreis ein neues Konzept des Landesinnenministeriums um. Durch die teilweise schnellere Bearbeitung der Asylverfahren werden Menschen auf die Landkreise verteilt, die bereits über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen und grundsätzlich berechtigt sind, eigenen Wohnraum zu beziehen. Aufgrund der Wohnsitzauflage besteht mit Zuweisung in den Salzlandkreis die Verpflichtung, sich umgehend in diesem Landkreis anzumelden. Um Obdachlosigkeit mit Ankunft im Landkreis zu vermeiden, wird den Menschen die Anmietung eines Zimmers im ÜWH ermöglicht.

Es ist positiv zu bewerten, dass es abschließbare Einzelzimmer mit einer eigenen Briefkastenanlage gibt. Diese Wohnsituation sollte grundsätzlich als Mindeststandard für Sammelunterkünfte gesetzt werden.

Ein signifikanter Vorteil gegenüber einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) ist jedoch nicht ersichtlich. Wenn die Bewohner*innen des ÜWHs nicht schnell eine eigene geeignete Wohnung finden, gibt es keinen wesentlichen Unterschied zu einer GU.

Die Landespolitik sollte grundsätzlich die Wohnungsunterbringung und ein selbstbestimmtes Wohnen ermöglichen. Momentan schafft sie jedoch Anreize an der falschen Stelle. Die von der Landesregierung als Erklärung für das Konzept ÜWH angeführte Begründung der besseren Ermöglichung von Informationsweitergabe durch Beratungsstellen, Jobcenter und weiterer Angebote findet in der Praxis bislang nicht statt und wird auch nicht gefördert. Dies sollte auch nicht ein Alleinstellungsmerkmal für ÜWHs sein, sondern ist auch für die Bewohner*innen von GUs notwendig. Stattdessen entsteht eine neue Struktur, die die Menschen weiterhin zentral unterbringt und die erwünschten Effekte nicht mit sich zieht. An dieser Stelle ist nochmals der hohe Bedarf für die weitere Unterstützung bei der Wohnungssuche hervorzuheben, der in Zukunft verstärkt werden sollte.

Dafür braucht es eine deutliche Aufstockung des Personals für die Gesonderte Beratung und Betreuung durch das Land. In dem „Leitfaden für Aufnahmekommunen zur Unterbringung, Leistungsgewährung sowie Beratung und Betreuung von anerkannten Schutzsuchenden“, der bislang nur als Entwurf vom Innenministerium vorliegt, wird davon gesprochen, dass die Anzahl der Stellen der gesonderten Beratung und Betreuung angehoben werden soll. Im Sinne einer erfolgreichen Integration erachten wir einen Betreuungsschlüssel von 1:50 für angemessen. Eine sofortige Umsetzung und Finanzierungszusicherung ist umgehend umzusetzen.

Ebenso muss die Finanzierung der Sprachmittlungen durch das Land in ausreichendem Maße abgedeckt werden. Die schnelle Verständigung ist absolut grundlegend um Konflikte und Missverständnisse sowohl in den Behörden, aber auch im Alltag, vorzubeugen und ein schnelles Ankommen am neuen Wohnort zu ermöglichen.

Aus den genannten Eindrücken leiten sich für uns folgende Empfehlungen ab:

  • Vorrang des selbstbestimmten Wohnens gegenüber der Unterbringung in Übergangswohnheimen
  • Ausbau des sozialen Wohnungsbaus sowie Gespräche mit Vermieter*innen und Wohnungsgesellschaften, um Vorbehalte auszuräumen
  • Finanzierung der Unterstützung bei der Wohnungssuche durch Aufstockung der Stellen für die Gesonderte Beratung und Betreuung
  • Verbesserung der Information der Bewohner*innen zu Anlauf- und Beratungsstellen vor Ort
  • auf Landesebene bedarf es eines verbindlichen Konzeptes für Übergangswohnheime, in dem auch die Finanzierung klar geregelt ist
1    Darin wird „empfohlen, Personen, denen ein humanitärer Schutzstatus zuerkannt worden ist, zeitlich begrenzt in Übergangswohnheimen unterzubringen. Die Unterbringung im Übergangswohnheim kann nur ein Angebot sein. Hierunter sind Unterkunftsformen zu verstehen, in denen dieser Personenkreis von qualifizierten (sozialpädagogischen) Fachkräften mit verschiedenen Beratungsangeboten unterstützt wird.“, Ministeriums für Inneres und Sport in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit : Leitfaden für Aufnahmekommunen zur Unterbringung, Leistungsgewährung sowie Beratung und Betreuung von anerkannten Schutzsuchenden des, S. 5, vorläufige Fassung 2016.


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